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Uebersicht alte Apfelsorten in Form einer "Roten Liste"

Hallo Ulrich, mich beschäftigt folgende Frage: Bei den meisten Pflanzen- oder Tierarten gibt es doch detaillierte Listen über Gefährdungsgrad, angeordnet als "rote Listen" von verschollen oder ausgestorben über hochgradig gefährdet, nur noch Einzelexemplare, sehr selten, lokal häufig usw.

Für Apfelsorten suchte ich jetzt länger im Internet, finde aber eigentlich keine wirklich umfassende Seite dazu. Bei Wikipedia gibt es z.B. die in vier Rubriken gegliederte Liste Wirtschaftsäpfel, häufige Apfelsorten, seltene alte Sorten, Liste der vor ca. 100 Jahren in Deutschland bekannten Äpfel (damals etwa 1000). Wie kann man nun herausfinden, welche davon noch vorhanden sind, z.B. in einem Reisergarten, einer Erhaltungspflanzung, einer Bundesanstalt für Obstsorten o.ä.?

Oder hilft da nur, Sorte für Sorte selber dazu zu recherchieren, ob die Sorte z.B. noch in einer lokalen Streuobstwiese vorkommt oder von einer lokalen Gruppe bestimmt und neu kultiviert wurde? Mich wundert, daß ich weder bei einer spezialisierten Baumschule, noch bei Fachvereinen, noch bei biologischen Forschungsanstalten so einen Versuch einer Gesamtliste finde. Sehr verwirrend finde ich dazu auch die vielen lokalen Synonym-Bezeichnungen.

Vielleicht gibt es so eine Gesamtliste ja noch nicht, das beschäftigt mich im Moment, weil man einfach nicht sieht, bei welchen Sorten eine Erhaltungspflanzung am notwendigsten und noch möglich wäre.

Mit bestem Gruss, Hubert

Antwort

Lieber Hubert, ich versuche hier einmal eine Antwort für die Schweiz zu geben. Soweit mir bekannt ist, gibt es keine entsprechende Rote Liste, obwohl man sich das wünschen würde. Wer am Erhalt der Sortenvielfalt mitwirken möchte, der kann sich aber bei Pro Specie Rara konkret beraten lassen.

Projekte mit (alten) Obstsorten

Im Auftrag resp. in Zusammenarbeit mit den Organisationen Pro Specie Rara und Fructus wurde 2005 ein nationales Projekt, finanziert und unterstützt durch das Bundesamt für Landwirtschaft, durchgeführt, in dem eine Bestandesaufnahme der vorhandenen Obst- und Beerensorten gemacht wurde. Wenn jemand eine Rote Liste führen könnte, dann wären es diese Organisationen.

Den Abschluss-Bericht (PDF) dieser Studie findet man z.B. auf der FRUCTUS-Homepage. Ab Seite 44 gibt es eine Auflistung der bekannten Sorten mit Hinweis auf den Kanton resp. Ort, an dem die Sorte noch gefunden wurde. Der publizierte Bericht sagt nichts darüber aus, ob es pro Sorte noch einen oder tausend Bäume gibt. Wer sich diese Frage stellt, der muss sich direkt an die entsprechenden Organisationen wenden.

Auf der Homepage von "Pro Specie Rara" gibt es eine Baumschul-Liste, mit Anbietern, welche zum Teil mehrere hundert Obstsorten verteilt an verschiedenen Stellen in der Schweiz erhalten und sie als Reiser oder Bäume an Interessenten verkaufen. Ich habe selber die Betriebe von Toni Suter resp. Meinrad Suter gesehen. Bei Meinrad Suter kann man im Apfelsortengarten unter hunderten von Sorten die reifen Aepfel besichtigen und kosten ( symbolisch für 1 Franken pro Apfel ... ), bevor man sich entschliesst. Wer sich interessiert, kann sich dort beraten lassen, damit er einen Baum mit einer erhaltenswerten Sorte bekommt, welcher auch am geplanten Ort gedeihen kann.

Synonyme

Dass es für die gleiche Apfelsorte mehrere Namen gibt, hat sicher historische Gründe. Die Sorten wurden früher unkontrolliert weitergereicht, je nach Gegend manchmal verschieden genannt, und später wurde erkannt, dass es sich um die gleiche Sorte handelt. Den Sortenspezialisten blieb nichts anderes übrig als die Synonyme zusammenzufassen.

Fructus hat etwa im Jahr 1985 eine Apfelsorten-Kartei erstellt, bestehend aus einem Satz von 300 Karton-Karten mit aufgeklebten Fotos, eine Karte pro Sorte. Hier ging es nicht vor allem um den Erhalt von alten Sorten, sondern um die Dokumentation der vorhandenen, angebauten Apfelsorten. Mit Erlaubnis dieser Organisation haben meine Frau und ich diese 300-er Namensliste von diesen Karten abgetippt, die Synonym-Liste verknüpft und das Ganze im Web veröffentlicht.
Die Apfelsorten-Kartei ist unterdessen bei der Firma Füglister (Früchte-Grosshandel) als Web-Datenbank realisiert und frei zugänglich. Es sind dort unterdessen 600 oder mehr Sorten dokumentiert, und man kann nach Namen und nach den groben Kategorien "bei uns erhältlich", "Alte Sorten" etc. pauschal suchen. Beim Suchen werden auch alle Synonyme gefunden. Die Information wurde bedeutend erweitert mit Hinweisen auf Anbaugebiete, Krankheiten, Anbau-Volumen, aber das Bildmaterial erreicht nicht die Qualität der alten Kartei.