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Grosses Theater um kleinen Streit
"VolksTheater im Amt" mit "Der zerbrochne Krug" von Heinrich
von Kleist
Am Samstag, den 7. Januar 2006, brachte die letztes Jahr gegründete Theatergruppe "VolksTheater im Amt"
als zweite Produktion das Kleist'sche Lustspiel in einer verblüffenden Mundartfassung von Heiri Landis in
der Regie von Urs Steiner zu einer begeistert applaudierten Uraufführung. Bis zum 29. Januar folgen noch 13
weitere Aufführungen im Saal des Gasthauses zum weissen Rössli in Mettmenstetten.
Von Ernst Schlatter
In Huisum bei Utrecht ist ein Krug in die Brüche gegangen. Für Marthe Rull (Heidi Roth) scheint alles
klar: Bei einem heimlichen nächtlichen Besuch in der Kammer ihrer Tochter Eve (Barbara Stehli) hat deren Bräutigam
Ruprecht (Severin Stadtmann) dieses ihr so wertvolle Erinnerungsstück, auf dem fast die ganze Geschichte der
Niederlande dargestellt ist, zerbrochen.
Schon am nächsten Morgen erscheint sie mit den Beteiligten, also auch mit dem Vater des scheinbaren Übeltäters,
Veit Tümpel (Max Stadtmann) und dem Indiz, dem zerbrochenen Krug, vor Gericht. Dorfrichter Adam (Heiri Landis)
soll über diesen Fall Recht sprechen. Der zeigt jedoch aus eigenem Interesse wenig Ehrgeiz bei der Aufklärung
des nächtlichen Vorfalls. Immer wieder sabotiert er eine korrekte Prozessführung. Einzig Gerichtsrat
Walter (Hans Schwendener), der auf seiner ersten Inspektionsreise just an diesem Tag nach Huisum kommt, treibt
die Verhandlung voran und versucht im drohenden Rechtsverfall die Ordnung zu erhalten und Antworten zu finden.
Der Gerichtsschreiber Liechti (Hans-Jakob Zweifel) wittert seine Chance, die Nachfolge des im wörtlichen Sinne
"angeschlagenen" Dorfrichters antreten zu können und bringt - allerdings erst gegen den Schluss
hin - Licht in die zweifelhafte Affäre.
Wer war der unerkannte Rivale, den Ruprecht bei Eve überrascht haben will und dem er im Dunkeln mit einer
Türklinke den Kopf malträtiert hatte? Warum schweigt Eve? Und was zum Teufel hat Frau Brigitte (Silvia
Schneiter) wirklich gesehen?
Im Kampf der Missverständnisse betreiben die Beteiligten die Verschleierung der wirklichen Verhältnisse
bis ins Groteske, um die Wahrheit nicht erkennen und aussprechen zu müssen.
Den Kleist'schen Sprachrhythmus beibehalten
Kleists kunstfertige Sprache wurde von Heiri Landis sorgfältig in eine Mundartfassung gegossen, die sich aber
an den rasanten Kleist'schen Sprachrhythmus und die Melodie seiner Sprache hält und so dem Original treu bleibt,
ohne Anbiederungen oder dem krampfhaften Versuch um Aktualisierung. Ist doch das Grundproblem des Lustspiels heute
noch genau so aktuell wie bei seiner Uraufführung, die 1808 Johann Wolfgang Goethe in Weimar inszenierte und
bei der Kleist nicht zugegen war.
"Der zerbrochne Krug" ist eine spannende und aktuelle Geschichte über Rechtsbeugung, über Korruption
und Vertuschung, über Vetternwirtschaft und Kumpanei. Die Sprache, die Dorfrichter Adam zur Verstellung benutzen
will, rächt sich, in dem sie ihn verrät und die Wahrheit gegen seinen Willen offenbar macht.
Gratwanderung zwischen Lustspiel und Tragödie
Es kann einiges gelacht werden in dieser Produktion des "VolksTheaters im Amt" aber zum Schenkelklopfen
ist das nicht. Die Gratwanderung zwischen Lustspiel und tragischen Momenten gelingt der Truppe unter der Regie
des Luzerner Theaterprofis Urs Steiner meisterhaft. Dieser Tanz auf dem Vulkan der Lebenslügen wird dem Dichter
Heinrich von Kleist, der Zeit seines kurzen Lebens von inneren Konflikten zerrissen war, mehr als gerecht.
Ausgefeilte Ensembleleistung
"Der zerbrochne Krug" ist eigentlich eine einzige wunderbare Frechheit: lebensprall, wohl dosiert vulgär,
komisch, kurz: hart am wahren Leben. Womöglich meint "Lustspiel" nicht Belustigung, sondern lustvolles
Spiel. Das in allen Rollen ausgezeichnet besetzte, spielfreudige Ensemble - in den weiteren Rollen überzeugten
auch Heidi Thöni als Magd Margrethe, Nadine Urmi als Magd Lina, Sebastian Disch als Diener und Frans Luttikhuis
als Weibel - legte diesen Gedanken an der Premiere vom vergangenen Samstag jedenfalls nahe und verspricht für
die folgenden Aufführungen (siehe Kasten) höchst vergnügliche Abende.
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