Viele Neuerungen auch bei den Konzertvorträgen
Der Kreismusiktag Amt und Limmattal in Maschwanden hat viel bewegt
Erstmals - und dies ausgerechnet zum 50 Jahr-Jubiläum des Musikvereins des kleinsten Dorfes im Knonaueramt
– kam das revidierte Reglement des Musikverbandes Amt und Limmattal zur Anwendung. Ziel war es ja, vermehrt die
jüngere, musikbegeisterte Generation anzusprechen und starre, veraltete Strukturen zu durchbrechen. Ganz wesentlich
zeigten sich die Neuerungen darin, dass es den Vereinen frei überlassen wurde, ein Konzertprogramm von maximal
20 Minuten zusammen zu stellen, bei dem auch Showeinlagen erwünscht waren. Zum zweiten kam es erstmals zu
einem separaten Wettbewerb um den Solistenpreis.
Von Ernst Schlatter
Der Dirigent Jan Wyss als Solist mit dem Musikverein Jonen mit dem
B-Cornet wurde Zweiter im Solisten-Wettbewerb
Zu den zwölf Verbandsvereinen gesellten sich fünf Gastvereine aus den Kantonen Aargau und Luzern, so
dass die Konzertvorträge in der Mehrzweckhalle von Samstagmorgen um 11 Uhr bis Sonntagnachmittag 16 Uhr andauerten
und so den Freunden der Harmonie- und der Brass Band-Musik eine reiche Palette von musikalischen Leckerbissen dargeboten
wurde.
Und die Kuh war auch dabei: Musikgesellschaft Mühlau mit Showeffekten
Der Musikverein Harmonie Hausen unter der einzigen Dirigentin, Regula Brawand, eröffnete mit Klängen
aus der Welt des Showbusiness (Abba) und der Musicals (Cats). Der Alt-Saxophonist, Ueli Imhof, erspielte sich
im Solowettbewerb mit „Harlem-Nocturne“ einen feinen vierten Platz.
Beim Musikverein Hedingen unter Philipp Kleiser überzeugten die satten Saxophonklänge bei „Rock Opening“
und die rhythmisch differenziert gestalteten Übergänge, die Präsenz auch in langsamen Sätzen
bei „Joy of Music“, wo auch die stille Freude ihren Platz fand.
Auch Showeinlagen erwünscht
Der Musikverein Jonen – eine Brass Band – überzeugte vor allem mit einer Suite aus „Porgy and Bess“ (George
Gershwin), bei der die vielen Facetten moderner Brass Band-Musik schön zum Zuge kamen. Der Dirigent, Jan Wyss,
zeigte auf dem B-Cornet als Solist sein ganzes Können in „Caprice Zelda“ von Percy Code und errang damit
den vielbejubelten zweiten Rang im Solistenwettbewerb.
"Der fidele Bassist": Ueli Weber mit MV Ottenbach
Mit der Musikgesellschaft Mühlau, einem Gastverein, wurde der Dirigent, Thomas
Villiger, gleich schon in der Ansage mit dem Titel eines „jungen Wilden“ begrüsst. Und damit hatte die eloquente,
sympathische Ansagerin, Claudia Saner, gar nicht zu viel versprochen: Der Auftritt sprühte nur so von Showeinlagen
und Gags: Da gab’s einen veritablen Alpaufzug mit einer massstabgetreu nachgebildeten Kuh, die der Dirigent sogar
eingehändigt molk, da folgte gar eine Tanzeinlage und bei „Puttin on the riz“ erzielte der Trompeter Szenenapplaus;
mit „Happy Mallets“ zeigte die erst 17-jährige Daniela Huwiler auf dem Xylophon schon beachtliches Können
und erreichte den sechsten Platz im Solowettbewerb. Gut gewählt auch der Schluss: Mit „Hello Dolly“ wurde
man in die Mittagspause entlassen. Mag sein, dass beim Schielen auf fast zu viele Showeffekte intonationsmässig
der Vortrag etwas litt.
Wiederum unter der äusserst präzisen Leitung von Regula Brawand spielte die Musikgesellschaft Stallikon
auf: „Sonority“ bezauberte durch eine differenzierte Gestaltung; in „Athem“ berührte der weiche Klang der
Querflöten und bewies, dass auch die kleine, bescheidene Form ihren grossen Reiz hat. Im „Concerto d’Amore“
kam sehr deutlich zum Ausdruck, wie die einzelnen Register ausgeglichen gut besetzt sind und so zu einem kompakten
Klangeindruck führen. „Mährische Geschichten“ zum Abschluss zeigte die Stalliker Musikerinnen und Musiker
von der zupackenden Seite.
Von Andrew Lloyd Webber über Gershwin, Mancini bis Sousa und Rachmaninoff
Strahlender Sieger des Solisten-Wettbewerbs: Thomas Mosimann (Mitte).
Die Musikgesellschaft Sins und ihr neuer Dirigent, Stefan Achermann, können auf ein grosses, sehr gut eingespieltes
Korps (56 Musikerinnen und Musiker) zurückgreifen. Äusserst präzise, auch in den rhythmisch sehr
anspruchsvollen Passagen wie in “633 Squadron“, wo Start und Landung eines ganzen Fliegergeschwaders vor dem inneren
Auge evoziert wurde oder im expressiven „Toward the Sunrising“.
Der einzige Gastverein aus dem Kanton Luzern, die Musikgesellschaft Aesch-Mosen, rundete das samstägliche
Programm ab mit samtenen, intensiven Brass Band-Klängen in „Adventures in Brass“ und tief nachempfundener,
fast meditativ-lyrischer Romantik in „Poem“. Die Solistin Christine Fankhauser mit dem B-Cornet erreichte mit „Nikita“
(Elton John) den neunten Rang.
Das Sonntagsprogramm wurde durch den Musikverein Harmonie Birmensdorf unter der Leitung von Peter Bosshard eröffnet.
In „Introduction and modern Beat“ erzielte der Trompeter Thomas Kohler den fünften Rang im Solowettbewerb.
Der Musikverein Mettmenstetten liess unter Ruedi Grünenfelder jazzige Töne erklingen in „Baby Elefant
Walk“ und schöne Duetts (Trompete und Saxophon im Dialog) in „Introduction and modern Beat“. Gar an Rachmaninoff
wagten sie sich mit Erfolg in „Italian Polka“.
Der Musikverein Harmonie Berikon eroberte die Herzen der Zuhörerinnen und Zuhörer im Flug mit „Century
Explorer“. Die rhythmischen Klippen in „Hercules“ wurden unter der beeindruckenden Stabführung durch Fredi
Obrecht überzeugend gemeistert.
Der Musikverein Ottenbach stand bei der Gründung des Musikvereins Maschwanden vor fünfzig Jahren Pate.
Auch hier – wie übrigens bei vielen Vereinen – war ein junger Dirigent, Marcel Bühler, am Werk, der die
Musiker zu tollen Leistungen führte. Mit dem Solostück „Der fidele Bassist“, interpretiert durch Ueli
Weber, wurde der Beweis erbracht, dass auch Schalk seinen Platz in der Musik haben darf.
Der Musikverein Harmonie Affoltern – wieder unter Peter Bosshard – erwies grosse Stilsicherheit in der Interpretation
des variantenreichen „Star Trek through the Generations“, einem anspruchsvollen Konzertstück, das äusserst
präzis und intensiv dirigiert und musiziert wurde. (Selbst das Ohrringlein in Peter Bosshard linkem Ohr machte
mit!) Was auch besonders auffiel: Die einzelnen Instrumenten-Gruppen waren als Ganzes sehr homogen und sicher.
Ein meditatives Oboe-Solo liess Sphärenklänge erahnen.
JUMBA – ein Synonym für Begeisterung
Nach der Mittagspause war die Big Band der JUMBA auf der Bühne (60 Musikerinnen und Musiker!) Immer wieder
erstaunt es festzustellen, was ein begabter Dirigent – hier Marcel Schöni – mit einem so grossen, noch jugendlichen
Orchester zu Stande bringt. Berauschend, beinahe perfekt die Darbietung von „ Flashing Winds“; lyrisch einfühlend,
weich und doch völlig präsent die Interpretation des Euphonium-Solisten Stefan Eichholzer, der sich mit
„Rhapsody for Euphonium and Concert Band“ den dritten Rang erspielte.
Der Musikverein Harmonie Bonstetten unter der bewährten, engagierten Leitung von Werner Brawand bot mit „Rainbow
Warrior“ ein hoch-expressives Stück mit grosser Beweglichkeit. Bestimmt hätte Altmeister Sousa seine
helle Freude an der frischen Interpretation des „Sousa Scramble“ gehabt!
Sehr einfühlend präsentierte sich der Musikverein Harmonie Urdorf unter Heinz Binder mit „Selections
from Les Misérables“ mit schönen Wechseln zwischen den „Register-Soli“ und den Tuttis.
Der Musikverein Obfelden entlockte mit „The Pink Panter Theme“ (Henry Mancini) in die Welt der Comics. Michael
Weber, der Präsident des Vereins, erspielte sich mit der B-Klarinette im „Wild Cat Blues“ den siebten Rang
im Solistenwettbewerb.
Als letzter Verein entfaltete der Musikverein Harmonie Schlieren mit 55 Musikantinnen und Musikanten sein ganzes
Können. Thomas Mosimann lieferte sowohl als Dirigent wie auch als Solist mit dem Euphonium in „Euphonia“ ein
Meisterstück ab und gewann den Solistenwettbewerb mit grossem Vorsprung.
Im Durchschnitt hohes Niveau der Darbietungen
Wie die beiden Fach-Experten (beides Berufsmusiker und Leiter verschiedener Formationen) Martin Casentieri, Rorschacherberg
und Bruno Erb, Effretikon bestätigten, waren die Darbietungen geprägt von grossem Engagement seitens
der einzigen Dirigentin und der Dirigenten als auch der Musiker. Die verschiedenen, aussagekräftigen Kriterien
wie Intonation, rhythmische Korrektheit, Gestaltung - um nur einige der neun Punkte zu erwähnen - werden
in die detaillierten Berichte der Experten einfliessen. Zusammen mit der CD-Aufnahme, die jeder Verein sofort nach
der Aufführung in die Hand gedrückt bekam, werden die Dirigenten genug Material finden, um in den nächsten
Proben noch weiter zu feilen, sei es für die nächste Abendunterhaltung oder für das nächste
Musikfest.
Ein Kompliment auch dem aufmerksamen, fachkundigen Publikum: Jede Darbietung wurde diszipliniert und interessiert
verfolgt und auch mit verdientem Applaus, nicht nur beim eigenen Verein, wurde nicht gegeizt.
Und nächstes Jahr in Stallikon!
Übrigens: Der Kreismusiktag Amt und Limmattal wird nächstes Jahr zum 100 Jahr-Jubiläum der Musikgesellschaft
Stallikon vom 27. – 29. Juni in Stallikon stattfinden. Bestimmt werden die in Maschwanden erprobten und geglückten
Neuerungen auch dort zur Anwendung kommen. Das OK Musiktag Stallikon 2003 ist schon an der Arbeit und die Homepage
der Stalliker www.musik-stallikon.ch gibt jetzt schon Informationen bekannt.