Zurück - Hauptseite - 2003 - 2004

So faszinierend kann Theater sein!

Aemtler Bühne mit "Hase Hase" in den OVA Hallen

Am vergangenen Samstagabend erlebte das Premierepublikum eine weitere Aufführung der Aemtler Bühne, welche sich würdig zu den vielen gelungenen Produktionen der letzten 20 Jahre hinzufügt. Weitere Vorstellungen bis 4. Juni in den OVA-Hallen in Affoltern.

Von Ernst Schlatter


Die diesjährige Aufführung besticht durch grosse Präzision beim ganzen Ensemble: das Resultat einer intensiven Probenarbeit unter der professionellen Regie von Dodó Deér, der auch für das wirkungsvolle Bühnenbild verantwortlich ist.

Die Französin Coline Serreau - selber Schauspielerin, Regisseurin, Filmemacherin ("Trois hommes et un couffin" war 1985 als bester fremdsprachiger Film für einen Oscar nominiert) - ist eine feinsinnige Beobachterin des Lebens.
Mit "Lapin Lapin" ist es ihr gelungen, aus den Alltäglichkeiten der Familie Hase eine turbulente Fabel zu bauen. Die Hauptakteure: Mutter, Vater, vier erwachsene Kinder und der Nachzügler mit Vornamen Hase. (Weil er mit zwei Schaufelzähnen auf die Welt kam, wollte die Mutter diesen Vornamen, obwohl die Familie schon Hase heisst). Hase Hase pflegt mit pubertärer Phantasie Kontakt mit Ausserirdischen.
"Hase Hase" ist eine Art Fernseh-Klimbim-Familien-Komödie, aber mit psychologischem Tiefgang und immer hart am Kipppunkt zum Tragischen, das dann doch nicht eintrifft.

Von der schier ausweglosen Normalität der Verhältnisse…

Die Familie Hase nämlich, eine von unzähligen Familien in Frankreich, sitzt tief im Elend. Papa arbeitslos, Kinder arbeitslos, Gymnasiast Hase von der Schule geflogen, weil klüger als drei Mathematiklehrer. Schliesslich campieren - wohnen kann man dem wohl nicht mehr sagen - alle in der kleinen Eineinhalb-Zimmer-Wohnung. Die frisch geschiedene Tochter Marie kommt mit Sack und Pack nach Hause. Das vermeintlich getraute Paar Lucie und Gérard taucht auch auf und streitet weiter. Und dann lässt sich gar die einsame und schwerhörige Nachbarin Duperri in der Hasenbehausung nieder. Sie lieben sich, sie streiten und halten als Familie doch zusammen wie Pech und Schwefel.
Gibts da einen Ausweg? Im Gegenteil: Sohn Jeannot verschlägt es zu Bombenlegern. Die Familie kann ihn gerade noch vor der Polizei verstecken. Sohn Bébert - Mama denkt er studiere Medizin - handelt mit Waffen und wird inhaftiert, als über Nacht eine "Neue Ordnung" an die Macht kommt.

… zum Aufstand der kleinen Leute

Gegen diese neue Macht zieht Familie Hase zu Felde und legt sich einen Plan zurecht, um Bébert zu befreien. Was freilich erst durch Hase Hases Hilfe gelingt, der als Ausserirdischer eingreift und alle Soldaten in Mädchen verzaubert. Diese Schummelei lässt man sich auf dem Theater gern gefallen und ist deshalb völlig legitim. Es stimmt froh, zu erleben, dass da auch kleine Leute eine Chance haben. Eine liebenswürdige und poetische Aufforderung voll Optimismus, sich nicht unterkriegen zu lassen.

Schauspielerische Glanzleistungen

Die Schauspielerinnen und Schauspieler der Aemtler Bühne - nicht nur auf der Hauptbühne sondern auch in den vielen Strassenszenen, welche raffiniert in den Umbaupausen den französischen Alltag spiegeln - agieren wunderbar locker: Agil und variantenreich in der Sprache und zupackend wird so die Handlung vorangetrieben.

Regieeinfälle nützen die Möglichkeiten der OVA-Hallen

Viele Regieeinfälle - die Gegebenheiten der Halle ausnützend -, welche der Regisseur Dodó Deér im Laufe der Probearbeiten zusammen mit dem Ensemble entwickelt hat, machen das Stück zu einem multimedialen Ereignis. Eine feinfühlige Licht- und Tonregie und charakterprägende Kostüms tragen das ihre zur Stimmigkeit bei.
Das Stück "Hase Hase" lebt aber auch von der differenzierten Sprache: Die Mundartübertragung durch Thomas Stricker holt die Handlung in die Gegenwart: Die Akteure sprechen keine Kunstsprache und sind somit dem Publikum ganz nahe. Darum wohl wurde auch auf den sehr lesenswerten Schlussmonolog von Mutter Hase aus der Turbulenz des Stückschlusses herausgenommen und dem Publikum von der Bühnenrampe aus im doppelten Sinn des Wortes "geschenkt".

Weitere Aufführungen (siehe auch Artikel und Inserat im "Anzeiger" vom 6. Mai)

Freitag, 13. Mai; Samstag, 14. Mai; Mittwoch, 18. Mai; Freitag, 20. Mai; Samstag, 21. Mai; Mittwoch, 25. Mai; Freitag, 27. Mai; Samstag, 28. Mai; Mittwoch, 1. Juni; Freitag, 3. Juni; Samstag, 4. Juni (Derniere).
Bei allen Samstagsvorstellungen ab 18.30 Uhr: Hasenragout.
Vorverkauf bei Fust AG, Affoltern während der Ladenöffnungszeiten gegen Barzahlung.
Telefonische Reservationen: Telefon 079 227 08 93 (Montag bis Samstag 9 bis 12 Uhr) oder per E-Mail: tickets@aemtlerbuehne.ch
Parkplätze vor dem OVA-Gebäude oder auf dem Jumbo-Areal ausserhalb der Ladenöffnungszeiten. Empfohlen ist warme Kleidung: Die OVA-Hallen sind nur schwer heizbar. Die Bar und der Raum fürs Hasenragoutessen sind geheizt. (eschla)

Bilder:
Szenen aus der neuen Produktion der Aemtler Bühne "Hase Hase" in der OVA-Halle Affoltern. (Bilder eschla)