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Als Glückfall darf man es wohl bezeichnen, dass es der Leiterin der Biblilothek Rifferswil, Hilda Grüninger,
gelungen ist, ihren ehemaligen Lehrerkollegen aus dem aargauischen Wynental für eine Lesung nach Rifferswil
zu gewinnen. Es ergab sich eine wertvolle, stimmige Begegnung mit dem sympathischen Erfolgsautor, in der man auch
viel aus der Entstehungsgeschichte seiner Bücher erfuhr.
Von Ernst Schlatter
Als Meister der Lakonik, der Behutsamkeit, als Augendichter, als Meister der kleinen Form ist Klaus Merz schon
bezeichnet worden. Und von all diesen Attributen war an diesem gehaltvollen Mittwochabend in der für diesen
Anlass fast zu kleinen Rifferswiler Bibliothek einiges zu spüren.
Klaus Merz verstand es vorzüglich mit einigen Ausschnitten aus seinem neuesten Buch „Adams Kostüm“, aus
„Jakob schläft“, mit dem er 1997 den Durchbruch erreichte, und einigen Kolumnen (aus der Weltwoche und der
Mittellandzeitung) einen Einblick in sein schriftstellerisches Schaffen zu geben.
Dass es – wie im Zitat von Ilse Aichinger „Kein Glück ohne Verhängnis aber auch kein Verhängnis
ohne Glück gibt“ - immer ein schmaler Grat ist, auf dem alltägliches Gelingen oder Scheitern geschieht,
das demonstrieren Merz’ Erzählungen treffend. Wenn er (in „Adams Kostüm“) schildert, wie eine Klassenzusammenkunft
beinahe zu einer apokalyptischen Orgie verkommt, ist das zwar in vielen Details äusserst witzig, aber als
Ganzes weht da auch ein Hauch von Morbidem, das berührt und nachdenklich stimmt.
Es ist seit „Am Fuss des Kamels“ (1994), so auch in „Kurze Durchsage“ (1995)
„Jakob schläft“ (1997), „Kommen Sie mit mir ans Meer, Fräulein“ (1998) und „Garn“ (2000) auch in „Adams
Kostüm“ immer wieder die Vergänglichkeit, die kleine Spanne zwischen Abgrund und Glück, zwischen
Leid und Zuversicht, die in seinen Erzählungen und Gedichten betroffen macht.
Klaus Merz verknüpft – so wurde es im anschliessenden „Werkstattgespräch“ deutlich – Erinnerung und Fiktion:
Oft ist ein reales Ereignis, das er erlebt hat, der Ausgangspunkt, der Kern für eine Erzählung, das aber
dann in der Verknüpfung einen ganz anderen Stellenwert gewinnt und weit über das Lokale hinausweist.
Die meisten von Klaus Merz’ Geschichten spielen zwar in einem eng begrenzten Gebiet des Kantons Aargau und handeln
von Menschen, die am Rande stehen, behindert sind oder denen die Lebensbewältigung nicht einfach fällt
und doch stehen diese Menschen und ihr Schicksal für ein Universum. So ist es wohl nicht vermessen, Klaus
Merz als Klassiker zu bezeichnen.
So auch in seiner Sprache: auch als Erzähler ist Klaus Merz ein Meister
des Aussparens, des Andeutens und Verdichtens, des Abgründigen und des Hintersinnigen. Man spürt dahinter
auch den Lyriker, der sich der Bedeutung jedes Wortes, jeder Wendung und ihrer Wirkung bewusst ist. „Ich setze
auf Sätze“, sagt er und: „Schreiben heisst Fremdheit abbauen“.
Dank einer aussergewöhnlichen Künstlerfreundschaft sind die Bücher
von Klaus Merz, die alle im Haymon Verlag erschienen sind, auch äusserlich höchst bemerkenswert. Seit
Jahren arbeitet Merz mit dem Maler Heinz Egger zusammen, der nicht nur die Cover gestaltet, sondern auch mit zeichnerischen
Paraphrasen im Buchinnern zur Schönheit der Bücher beiträgt. Heinz Eggers Zeichnungen sind nicht
einfach Illustrationen; er lässt sich von den literarischen Texten inspirieren, lässt sie auf sich wirken
und versucht, die gelesene Geschichte zu der seinen zu machen. So geht der Maler also von seiner eigenen Leseerfahrung
aus und versucht, die in ihm geweckten Gefühle und Stimmungen auszudrücken.
Das Rifferswiler Publikum war intensiv dabei, wie Klaus Merz mit kurzen Kommentaren
die ausgewählten Textstellen einführte und vortrug, wie er aufmerksam am Schluss auf die Fragen des belesenen
Publikums einging und auch humorvoll zu beantworten versuchte.
Beim anschliessenden Apéro ergaben sich weitere „Annäherungen“ und beim Signieren oft persönliche
Gespräche. Ein Abend, der einmal mehr zeigte, wie wertvoll solche Kontakte zur aktuellen Literaturszene durch
die persönliche Begegnung mit einem Autor werden können.
eschla wettswil