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Die Lazariterkirche

Gfenn bei Dübendorf

Lazariterkirche
Lazariter-Kirche
Fotos: A. Roos, Dübendorf - Dezember 2001

Artikel aus: Tages-Anzeiger vom 8. Januar 2002

Waffen der tätigen Nächstenliebe

Das Lazariter-Kirchlein in Dübendorf ist historisches Denkmal und beliebte Hochzeitskapelle. Und Zentrum für einen 900 Jahre alten Ritterorden.

Von Liliane Minor

Eine Rüstung tragen sie natürlich nicht mehr. Aber zu speziellen Anlässen legen die Dames und Chevaliers des Lazariter-Ordens noch immer einen schwarzen Ordensmantel mit grünem, achtstrahligem Kreuz auf Ellbogenhöhe um. Sie ziehen nicht mehr zu Pferd in den Krieg, um ihren Glauben und die ihnen anvertrauten Kranken zu verteidigen. Sondern wollen mit "den modernen Waffen der tätigen Nächstenliebe" den Glauben stärken und Krankheit und Not lindern. Im Kloster leben sie nicht mehr. Die Zugehörigkeit zum Lazariterorden eint sie auch so. Militärisch ist am Ritterorden des heiligen Lazarus von Jerusalem nur noch die Rangordnung vom Offizier bis zum Grosskreuzritter. Aber Ritterlichkeit halten die Ordensbrüder und -schwestern noch immer hoch.

Was heisst Ritterlichkeit? "Ritterliche Ethik kommt in der Lebenshaltung zum Ausdruck, indem man in Familie, Beruf, Öffentlichkeit nach christlichen Grundsätzen lebt", sagt Gregor Roos, Grossprior des Lazariterordens in der Schweiz. Das christliche Fundament sei ganz wichtig für die Lazariter - welcher Kirche die Mitglieder des Ordens angehören, hingegen nicht. "Wir sind der erste ökumenische Ritterorden, der erste, der aus der päpstlichen Kurie entlassen wurde", betont Johannes Knobloch, der ehemalige Statthalter des hiesigen Ordens. "Alle, die das Vaterunser beten, können Ritter oder Dame werden." Männer und Frauen sind völlig gleichberechtigt.

Pfleger der Leprakranken

Mehr als 900 Jahre alt ist der Lazariter-Orden, entstanden ist er in den Wirren der Kreuzzüge vor den Toren Jerusalems in einem Aussätzigenspital. Als die Christen definitiv aus dem Heiligen Land vertrieben wurden, verlegten die Lazariter ihr Zentrum 1291 ins französische Boigny, von wo sich der Orden über ganz Europa ausbreitete. Immer widmeten sich die Lazariterordensbrüder und -schwestern der Pflege von Leprakranken und Seuchenkranken.

Auch das Lazariterkirchlein im Gfenn in Dübendorf gehörte ursprünglich zu einem Lepraspital, das in gebührendem Abstand vom Dorf in sumpfigem Gelände errichtet worden war. Noch heute steht es ausserhalb der eigentlichen Stadt auf einem Hügel. Es stammt aus dem 13. Jahrhundert; christlichen Zwecken diente der Konvent allerdings nur etwa 300 Jahre lang. Dann wurde das Konventgebäude zur Wirtschaft, später zum Bauernhaus, die Kirche zur Scheune. 1956 kaufte die Gemeinde das Kirchlein und liess es renovieren. Es gilt heute als einmaliges Kunstdenkmal - und ist für die europäischen Lazariter neben dem Kloster in Seedorf und dem Lazariterhaus in Schlatt bei Freiburg im Breisgau das wichtigste Zentrum. Alle zwei Jahre findet in Gfenn das Generalkapitel des Lazariterordens statt. Anfang April feiern die Lazariter eine Investiturfeier mit ökumenischem Gottesdienst in Dübendorf, bei der neue Mitglieder aufgenommen und bisherige befördert werden. "Wir möchten deshalb in der Kirche, wenn irgend möglich, unser Wappen wieder anbringen lassen", sagt Roos.

Heute hat der Lazariterorden in der ganzen Welt rund 5000 Mitglieder. In der Schweiz bekennen sich etwa 90 Männer und Frauen zum Orden. Sie alle sind aktive und zahlende Mitglieder des Schweizer Lazariterhilfswerks, denn dazu verpflichtet sie die Ordensregel. "Das Hilfswerk ist die Seele des Ordens", sagt Roos. Jedes Jahr fahren einige Ritter und Damen einen Camion mit Einrichtungen für Schulen und Spitäler nach Rumänien. Zudem unterstützt der Orden ein Spital in der Republik Kongo.

Nicht gegen andere Religionen

Was der Orden nicht wolle, sei missionieren, betonen die beiden Grosskreuzritter Roos und Knobloch. "Die Leute, die von uns Hilfe erfahren, interessieren sich natürlich automatisch für unseren Hintergrund", sagt Knobloch, "aber die Toleranz ist ein christliches Gebot." Die Kontakte zu anderen Religionen seien sehr intensiv. Dass sich der Orden gleichzeitig die Verteidigung des christlichen Glaubens auf die Fahnen geschrieben hat, ist für die beiden kein Widerspruch. Denn verteidigt werden soll der Glaube nicht gegen aussen, sondern innerhalb der christlichen Gesellschaft. "Immer mehr Menschen befriedigen ihren spirituellen Bedarf auf dem Esoterik- und Sektenmarkt", sagt Roos. "Dagegen wehren wir uns. Wir kämpfen gegen diese Massen-Individualisierung."

Knobloch und Roos wollen genau das Gegenteil. "Ich finde im Orden Gleichgesinnte, die den Liebesdienst am Mitmenschen aktiv unter Beweis stellen," glaubt Knobloch. Er ist sicher, dass der Orden damit eine Zukunft hat: "Es gibt auch bei den Jungen immer mehr Leute, die nach einem Sinn suchen. Jeder Mensch, der mit offenen Augen lebt, sieht doch das Gewaltige der Schöpfung. Daraus schöpfen wir Ritter unseren Glauben."

Moderne Ritter werden

Allerdings müsste, da sind sich die beiden Männer einig, der Orden in seinem Auftreten doch etwas moderner werden. Zwar haben die Lazariter auch ohne Werbung keine Probleme mit der Rekrutierung; der Orden hat einige Mitglieder im Alter zwischen 25 und 40 Jahren. Aber wir wollen nicht die Leute ansprechen, die nur auf Orden und Ränge aus sind", betont Roos. "Wir wollen Persönlichkeiten in unserem Orden." Dennoch, ein bisschen mehr Moderne würde dem Orden nicht schaden, sinniert der Grossprior: "Ich möchte das ritterliche Gedankengut in die heutige Zeit überführen. Vielleicht müsste sich das Hilfswerk überlegen, auch in den Bereichen Aids und Drogenhilfe Prioritäten zu setzen. Wir sollten moderne Ritter werden."


Nachtrag September 2002:

Gregor Roos ist unterdessen zum Grossprior Emeritus erhoben worden.

Kontaktadresse: kanzlei@lazarusorden.ch
Homepage: www.lazarusorden.ch
Ordens-Statthalter: Philippe Piccapietra
Motto:

ATAVIS ET ARMIS