Zurück -- Hauptseite
Kann man mit einem Nivelliergerät ein Abenteuer erleben ? Ich habe vor einer Woche im Altmetall
etwas gefunden, was ich dort niemals erwartet hätte:
Ein Vermessungsgerät mit Optik und vielen Einstellschrauben. Das habe ich gleich mitgenommen - da war ich
neugierig.
Der erste Blick durchs Fernrohr zeigte ein überraschend scharfes Bild, allerdings kopfstehend.
Daran muss man sich noch gewöhnen. Zuerst einige Bilder; die Geschichte geht unten weiter.
(Bilder zum Vergrössern anklicken).
Etwa ein halbes Jahr vorher hatte ich in einem Antiquariat ein Buch über Vermessung erstanden und aus Neugier gelesen. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals ein entsprechendes Gerät besitzen würde. Nun hatte ich eines in der Hand, und wollte wissen, was da alles dran ist und was man damit machen kann.
Zuerst habe ich geglaubt, ich hätte einen Theodolit vor mir, wie sie für die Landesvermessung gebraucht
werden. Ein Blick ins Internet belehrte mich, dass es sich
um ein Nivelliergerät Typ NK10 handelt, das etwa um 1964 von der Firma Wild Heerbrugg (heute Leica
Geosystems) hergestellt wurde. Diese Geräte werden eher auf Baustellen eingesetzt. Das Gerät ist
ganz aus Messing angefertigt, schwer und solid gebaut. Dann habe ich das Gerät genauer angeschaut und gesehen,
dass eine Art kleines Fernrohr (rechts) mit einem Winkelspiegel auf den Kreis im Fuss des Geräts gerichtet
ist. Dort war eine völlig verschmutzte Skala. Nach dem Entfernen der Schmutzschicht kam ein schneeweisser
Kreisring zum Vorschein, mit einzelnen hellgrauen Strichen. Es war der klägliche Rest des früheren 360-Grad
Teilkreises! Ich habe dann das Gerät auseinandergenommen und eine Plexiglas-Scheibe gefunden, mit dem Rest
des Teilkreises auf der Unterseite.
Nach etwas Suchen habe ich ein Bild einer 360-Grad-Skala
zu einem historischen Ballon-Theodoliten gefunden, grau in grau aber präzis. Mit dem PaintShop Programm und
ein oder zwei Stunden Feinarbeit wurde daraus meine neue Skala mit ca. 52 mm Durchmesser. Nach dem Einbau unter
der Plexiglas-Scheibe ein hoffnungsvoller Blick in die Optik - alles komplett unscharf. Das Okular dieses Teils
war komplett verklemmt und wird sich wohl nie mehr drehen, also keine Scharfeinstellung. Ich habe dann improvisiert
und die Löcher der Befestigungs-Schrauben zu Schlitzen ausgefeilt. Jetzt kann man wenigstens mit einem Schraubenzieher
scharf einstellen und die Grad-Einteilung ablesen.
Am nächsten Wochenende habe ich das Gerät improvisiert auf ein Fotostativ gesetzt und versucht, es den Vermessungsleuten nachzumachen, die man oft mit dem Vermessungsgerät und den bekannten gestreiften Messlatten an der Arbeit sieht. Als Messgehilfen habe ich meinen Sohn angestellt. Ein erster Blick durchs Fernrohr zeigte ein gestochen scharfes Bild, aber kein Fadenkreuz. Oder, bei anderer Einstellung, ein Fadenkreuz und dafür alles andere verschwommen. Ich habe nicht sehr scharfe Augen, aber auch mein Sohn sah nicht viel mehr. Wir haben dann herausgefunden, dass man am Fernrohr das Okular drehen kann. Allerdings war es verklemmt. Der äussere Ring drehte sich allein, die Linse blieb stehen. Nach dem Abkratzen von Schmutz fanden sich drei winzige Schrauben. Nach dem Entfernen liess sich die Okularlinse mit etwas List, Gewalt und einem Tropfen Kriech-Oel bewegen, und jetzt wussten wir, wozu es zwei Scharfeinstellungen am Fernrohr gibt. Eine davon wird gebraucht, um das Fadenkreuz separat einzustellen.
Soweit ich bisher herausgefunden habe, kann man mit dem Gerät sehr genau die Teilstriche an einer Messlatte
ablesen, auch auf Distanz, und so den Höhenunterschied zwischen dem Fernrohr-Standort und einer Stelle im
Gelände feststellen. Die eingebaute Libelle ist äusserst empfindlich, man kann damit das Fernrohr sehr
genau horizontal ausrichten. Eine Genauigkeit von 1 mm Höhe auf 20 Meter Distanz dürfte kein Problem
sein.
Man kann auch die Distanz zwischen Fernrohr und Messlatte feststellen. Wenn man zwischen dem obersten und untersten
Teilstrich im Fadenkreuz z.B. 10 cm der Messlatte sieht, dann steht die Latte 10 Meter entfernt (siehe Beispiel-Bild
Tachymeter-Ansicht).
Mit dem Teilkreis kann man Winkel messen oder einstellen. Gemäss Firmenangaben
kann das Gerät Winkel auf 1/10 Grad genau messen - aber nicht mit meiner improvisierten Skala.
Miller-Schlötzer, Vermessungskunde
Bibliothek der gesamten Technik 249, Fünfte Auflage, Leipzig (1921)
Ueberraschenderweise sind in diesem Buch die Funktionen und Teile des Gerätes von 1964 bereits beschrieben,
wenn auch die abgebildeten Geräte etwas altmodischer aussehen.
U. Roos, April 2006